Von Bauchschmerzen und neuen Wegen…
Hier schreibt unsere 1.Vorsitzende Nicole in einem ganz persönlichen Blogbeitrag über unseren bis jetzt wohl größten Schritt im Kinderklinikkonzerte e.V.
Wie alles begann
2010 war das Jahr meines Staatsexamens zur Rettungsassistentin an der Landesrettungsschule in Riesa. 2010 war der Beginn meines Jahrespraktikums beim DRK Rettungsdienst in Freital und es war das Jahr in dem mir etwas in den Sinn kam, was mein Leben zukünftig noch maßgeblich bestimmen würde. Das alles war mir damals natürlich noch nicht bewusst.
Ein Einsatz, bei dem wir ein junges Mädchen nach einem Fahrradsturz in eine Klinik nach Dresden verlegten, brachte mich zum Nachdenken. Die Diagnose, eine Hirnblutung, würde für einige Wochen das Leben verändern. Ein langer Krankenhausaufenthalt, Untersuchungen, Operation, Zweifel, Ängste… Nicht nur meine kleine Patientin musste ihr Kinderzimmer mit dem Krankenbett tauschen, die Situation forderte von nun an die ganze Familie heraus. Wer bleibt bei dem Mädchen? Wer kümmert sich um die Geschwisterkinder? Wie wird der Arbeitgeber reagieren? Und zu guter Letzt: Wo nimmt man eigentlich die Kraft her die eigene Tochter Tag für Tag aufzumuntern, wenn man vielleicht selbst völlig erschöpft in der Situation hängt? Ich stellte mir selbst die Frage: „Was würde mir wohl in dieser Situation helfen?“ Musik spielte in meinem Leben schon immer eine große Rolle. Der erste große Liebeskummer, die bestandenen Prüfungen, erfüllte Träume, schöne Urlaube, traurige Momente, große Streitereien, für alles gab es Songs, die den Moment untermalten oder darüber hinweghalfen.
Auch einige Wochen später lies mich der Gedanke, genau hier etwas aktiv machen zu wollen, nicht los. Die Vorstellung, dass auf einer Kinderstation den Schwestern und Pflegern neben den medizinischen Tätigkeiten genügend Zeit bleibt die Kinder zu trösten, aufzumuntern und sie zu beschäftigen, ist leider auch in unserem modernen Gesundheitssystem oft nicht viel mehr als eine Wunschvorstellung. Auch das ist etwas, was man im Rettungsdienst leider recht schnell mitbekommt, insofern man nicht mit geschlossenen Augen durch unsere Medizinerwelt läuft. Auf den Kinderstationen wird Unglaubliches geleistet, aber leider oft mit minimalstem Personalschlüssel am Rande des Machbaren.
Nach einem Gespräch mit Nadja, die damals schon eine meiner tollen Freundinnen war und den Kontakt zu unseren heutigen Vereinspatinnen, der Dresdner A-cappella-Pop-Band „medlz“, hatte sowie ein paar Wochen Organisation -Hin und Her- mit den tollen Menschen vom Sonnenstrahl e.V. standen wir im Januar 2011 gemeinsam mit den medlz, einem Poeten, einem Zauberer und selbstgebackenem Kuchen auf der Kinderonkologie der Uniklinik in Dresden. Es war der Tag unseres allerersten Kinderklinikkonzertes. Auch Katharina aus unserem Team, die immer noch bei uns und mittlerweile selbst Mama ist, war 2011 schon mit dabei
Wer sind wir und wo wollen wir hin?
Zugegeben die Idee auf der Kinderstation in einem Krankenhaus aufzutreten hatten schon viele Musiker. Aber ein Verein, der mit einem festen Konzept, hoher Qualität und Wiedererkennungswert durch deutsche Krankenhäuser tourt, das war neu und das sind wir, eben 100% Kinderklinikkonzerte. Aber auch von uns war zunächst nicht geplant die Sache mit einer gewissen Regelmäßigkeit fortzuführen. Dennoch sagte mir mein Bauchgefühl recht schnell, dass dieses erste Konzert nicht alles gewesen sein wird. Spätestens als ich einen Anruf von den anderen Kinderstationen der Uniklinik Dresden bekam, mit der Bitte, dass wir dort auch einmal vorbeischauen sollen, fingen die Planungen von vorn an. Kurze Zeit später, 2012 und noch vor unserem zweiten Kinderklinikkonzert, zog ich berufsbedingt nach Magdeburg um. Mein engster Freund sagte damals zu mir: „Das mit den Kinderklinikkonzerten, das müsst ihr unbedingt auch hier bei uns in Magdeburg machen.“
Und weil meine Kreativität und Willensstärke manchmal glücklicherweise keine Grenzen kennt, machte ich mir von nun an Gedanken, wie man den Kinderklinikkonzerten ein festes Konzept mit Wiedererkennungswert verleiht, was in so ziemlich jeder Kinderklinik funktioniert. Das Ganze war nicht auf einmal da, es war ein insgesamt sehr langer Prozess. Der nahm vor allem 2014 nach dem zweifachen Gewinn des Jugendengagmentpreises Sachsen-Anhalt in Halle/Saale so richtig Fahrt auf. Gemeinsam mit Nadja war da zudem dieser Gedanke mit Revolverheld die erste überregional bekannte Band anzufragen. Als 20 Minuten später die Antwort des Managements kam, dass die Jungs sehr gern dabei sind, konnten wir unser Glück kaum fassen. Und glücklicherweise sagte unser Bauchgefühl zur gleichen Zeit, dass wir daraus mehr machen müssen.
Wer sind wir, wo wollen wir hin und wie machen wir das? All diese Fragen stellten wir uns fortan.
Der Auftritt von Revolverheld und die strahlenden Kids vor der Bühne verliehen uns die nötige Kraft dazu. Große Hilfe hatten wir außerdem durch das startsocial-Stipendium unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das brachte uns unseren großartigen Coach Sven an unsere Seite. Ich kann euch gar nicht beschreiben wie froh ich bin, dass Sven heute immer noch bei uns ist.
Ja, man brauch sie einfach im Leben: die guten Berater, die Menschen die einem regelmäßig sagen, dass am Ende alles gut wird (und denen man das auch noch glaubt), die mit den starken Nerven und dem unendlichen Wissen.
Was dann kam, kennen die Meisten: Vereinsgründung, fortan drei statt ein Konzert pro Jahr, unterschiedliche deutsche Städte (mittlerweile waren wir neben Dresden und Magdeburg auch in Leipzig, Göttingen, Berlin, Erfurt und Hamburg), noch mehr bekannte Künstler (Jupiter Jones, Silbermond, Wincent Weiss, Max Giesinger), ein wundervolles sowie stetig wachsendes Team, unglaubliche Auszeichnungen, großartige Spenden und vor allem auch weit über zweitausend glückliche, kleine Patienten in den Kinderkliniken. Die unendliche Dankbarkeit über all den Erfolg sowie über die große Unterstützung haben wir glücklicherweise niemals verloren.
Natürlich gab es nicht immer nur Erfolge, sondern auch reichlich Tränen, aber zurückblickend kann ich sagen, dass es uns am Ende immer gestärkt hat, wenn etwas daneben ging. Meistens hat eben alles seinen Sinn im Leben.
Der nächste große Schritt
Und warum nun der ganze Text? Weil es 2018, nach acht Jahren Kinderklinikkonzerten, Zeit für einen nächsten großen Schritt ist.
Ab 1. Oktober 2018 hat der Kinderklinikkonzerte e.V. drei kleine Teilzeitstellen. Nadja und mich als Chefinnen und Gründerinnen des Ganzen (mit einer ganzen Menge mehr Verantwortung) und unsere Vorstandsassistentin sowie Buchhalterin Anna Lisa als erste eigene Mitarbeiterin. Zukünftig werden wir für 40 Stunden monatlich im Verein arbeiten. Die Arbeitsverhältnisse in unseren eigentlichen Jobs haben wir dafür auf dreißig Wochenstunden reduziert. Wie es dazu kam, erzähle ich euch heute aus meiner Sicht (jede von uns Mädels hat dazu ja ihre ganz persönliche Geschichte).
Ein paar ganz persönliche Gedanken
Der Wunsch irgendwann einen Teil der eigenen Arbeitszeit im Kinderklinikkonzerte e.V. zu verbringen kam 2017 (vor allem in den zahlreichen sehr stressigen Phasen) immer mal wieder auf. Wirklich hoch priorisiert hatten wir diesen Schritt aber nicht. Ende letzten Jahres, nach unserem Konzert mit Max Giesinger im Hamburger Kinder-UKE, war ich vollkommen am Ende meiner Kräfte, aber anstatt mir für den Rest des Jahres Ruhe zu gönnen musste ich mich unmittelbar danach auf meine Notfallsanitäterprüfung im Januar vorbereiten und lernen. Als die Prüfung geschafft war, stand eigentlich im Verein die Jahresabrechnung und die Vorbereitung unseres neuen Konzertjahres an.
Wer war allerdings nicht da? ICH……, denn ich lag krank im Bett. Ganze fünf Wochen lang, mit der wohl dicksten Grippe meines Lebens. Mein Körper nahm sich die Ruhe, die er dringend brauchte. Zum Glück hatten wir schon im Dezember entschieden, dass es 2018 nur zwei große Konzerte geben würde, denn den Verzug von über einem Monat haben wir bis vor wenigen Tagen ständig im vereinsinternen Ablauf zu spüren bekommen. Die liegengebliebenen Dinge aufzuarbeiten, gleichzeitig der großartigen neuen Unterstützung, die wir z.B. durch die Goldene Bild der Frau bekamen und damit auch dem erneuten unerwarteten Erfolg gerecht zu werden, die Kinderklinikkonzerte vorzubereiten, unsere 22 ehrenamtlichen, aktiven Mitglieder zu koordinieren, den Blick in die Zukunft zu richten, im eigentlichen Job die wachsenden Verantwortung, dazugehörige Weiterbildungen, dem immer wiederkehrendem Personalmangel mit daraus folgenden Überstunden zu meistern, in schwierigen Stunden ganz besonders für die eigene Familie da zu sein, keinen Urlaub zu haben (weil der ja bis auf 5 Tage im Verein steckte), einen riesigen Organisationsaufwand zu betreiben, um sich mit Freunden auf einen Kaffee treffen zu können, all das laugte mich zusätzlich aus bevor ich überhaupt wieder voll bei Kräften war.
Ich war permanent gestresst und überarbeitet, konnte am Ende niemandem mehr so richtig gerecht werden. Parallel stellte sich ja für uns (wie immer bis Mitte des Jahres) schon wieder die Frage wie soll unser Jahr 2019 aussehen. Der Wunsch in der Zukunft noch mehr Kinder glücklich machen zu wollen, schrie zudem immer lauter in uns. Es dauerte nicht lang, da hatten wir Lars, dem Manager von Max Giesinger, die Idee unserer Nightliner-Tour anvertraut und uns gleichzeitig seine Hilfe ins Boot geholt.
„Eine Tour mit einem Tourbus quer durch die Bundesrepublik?“, „Noch mehr Arbeit?“ Die engsten Menschen um mich herum bekamen hektische Flecken….
Einen Gang runterschalten und die Notbremse ziehen
Meiner handvoll besten Freunden ist es meist schon Wochen vor mir klar, wenn sich irgendwas dringend ändern muss. Aber auch ich merkte hier relativ schnell, dass wir uns kontinuierlich überforderten. Es brauchte schließlich nur einen Blick nach rechts und links um zu sehen, dass die anderen beiden Mädels zwischen Jobs und Verein ebenfalls auf dem Zahnfleisch krochen. Die Freizeit schwand bei allen gen null. Eine Entscheidung musste her. So wie es war, konnte es jedenfalls nicht mehr lange weitergehen.
Die Entscheidung fiel dann im Frühjahr. Sie konnte nur lauten in gewisser Weise die Notbremse zu ziehen. Kleine Personalstellen schaffen, die Stunden im Hauptjob zu reduzieren, das erschien uns allen im Moment der beste Weg zu sein. Es hätte mehrere Lösungen gegeben. Ich persönlich merkte vor allem in der Zeit der Weiterbildung zur Notfallsanitäterin, dass ich mir mein berufliches Leben ganz ohne den Rettungsdienst nicht vorstellen kann. Mir würde die Arbeit dort und meine Kollegen (Ihr seid ein tolles Team, an dieser Stelle einen wirklich großen Dank, den Ihr insgesamt viel zu selten hört) sehr fehlen. Genauso wenig könnte ich natürlich ohne die Kinderklinikkonzerte leben (welche Mama trennt sich schon von ihrem Baby ).
Meine Notfallsanitäter-Weiterbildung ist ein gutes Stichwort. Denn, wenn man Personalstellen schaffen möchte, hat man zunächst reichlich Themen „auf dem Hals“, von denen man meistens so gar keine Ahnung hat. Während alle meine Kollegen beim Lernen für die Prüfung vor allem über den Lernstoff zum Thema „Qualitätsmanagement“ fluchten, las ich freiwillig noch zwei bis fünf Kapitel mehr, die mich im Bezug auf die Vereinsarbeit interessierten und zog mir ein paar Zusatzinfos aus dem Internet. Ich klebte mir heimlich ein paar Post-its ins Notizheft (die uns hier übrigens gerade sehr helfen). Auch wenn Personalstellen haben zu wollen erst mal noch mehr Arbeit heißt. Ich hatte Freude daran die Fragen nach dem „Wie?“ zu beantworten, bei der Umsetzung und beim Strukturenschaffen. Natürlich ist das alles trotzdem nach wie vor eine große Herausforderung ohne betriebswirtschaftliches Studium, durch die wir uns die letzten Monate Schritt für Schritt durchkämpften und nebenbei auch noch zwei Konzerte vorbereiteten.
Mit dem Blick nach vorn
Anfangs hatten wir alle nicht wenig Angst diesen Schritt zu gehen und auch heute drängen sich immer wieder Sorgen auf, ob man vielleicht irgendetwas nicht bedacht hat. Schief gehen kann im Leben schließlich alles.
Dennoch, seitdem der Beschluss durch die Mitgliederversammlung gefallen (DANKE an die tollen Herzensmenschen aus unserem Team für euer riesiges Vertrauen), alle Verträge unterschrieben und die Satzungsänderung mit notarieller Beglaubigung erfolgt ist, fühlt es sich irgendwie gut und befreit an. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das im Hier und Jetzt die richtige Entscheidung ist. Auch in Zukunft wird für Nadja, Anna Lisa und mich ein großer Teil Freizeit und damit Ehrenamt in unserem Herzensprojekt stecken. Ohne unser großes Team und alle Unterstützer funktioniert es ebenso wenig. Allerdings geben uns die Teilzeitstellen die Möglichkeit die weiteren 19 aktiven, ehrenamtlichen Mitglieder besser zu koordinieren, Termine schneller wahrnehmen zu können, Kooperationsgespräche zu führen, nötige Fortbildungen zu absolvieren und so vor allem auch die riesige (und stetig wachsende) rechtliche Verantwortung zu schultern, die man als Vereinsführung zu tragen hat. Menschen, die sich noch nie mit dem deutschen Vereinsrecht befasst haben, reagieren auf Letzteres oft regelrecht erschrocken. Ja ich kann Euch sagen, hinter großen Taten steckt leider auch immer ganz viel Bürokratie und noch mehr Verantwortung.
Hin und wieder muss man anhalten und den Istzustand überprüfen. Man muss sich die Frage stellen, ob alles noch gut so läuft wie es ist, ob man noch auf dem richtigen Weg ist oder nur ungebremst irgendwo hinrennt. Ob das Herz noch schlägt oder ob der Bauch nur noch schmerzt.
Wir können uns ab sofort hoffentlich wieder mehr auf alles fokussieren, was uns wichtig ist und mal wieder durchatmen, um die nötige Kraft für neue große Taten zu tanken. Wenn ich mir etwas für uns wünschen darf, dann wäre das, dass Ihr uns auch auf diesem Weg alle weiter so großartig unterstützt und begleitet wie bisher. Denn genau das brauchen wir jetzt am allermeisten. Am Ende geht es dabei um die jungen Patienten, die sich in Zukunft dadurch auf hoffentlich viele weitere, tolle Kinderklinikkonzerte (und das deutschlandweit) freuen können.
Für heute bleibt mir DANKE zu sagen, denn ohne Euch wäre das alles hier nicht möglich.
Von Herzen,
Nicole